- Die Weisse Lilie – das ist eine im Jahr 2016 gestartete Hörspielserie mit bis dato vier Folgen. Das ist erst der Anfang – geplant sind jedenfalls noch viele weitere. Ende Januar erschien die 4. Folge “Krieg in Boston – Kapitel 1”.
Am Montag haben wir es bereits angeteasert & jetzt hat das Warten ein Ende. Wir haben Timo Kinzel und Benjamin Oechsle, ihres Zeichen Produzenten der Hörspielserie “Die Weisse Lilie”, ein paar Fragen rund um die Serie gestellt.
Lieber Timo, lieber Benni, „Die Weisse Lilie“ ist hochspannend und akustisch eine Wucht. Was macht für Euch das Hörspiel aus?
Timo: Vielen Dank erstmal für das Interview und euer Lob! Als wir mit der Serie angefangen haben, haben wir uns im Prinzip vorgenommen, eine Geschichte zu schaffen, die so klingt, wie wir sie als Hörspielhörer selbst gerne hören würden. Uns ist wichtig, dass wir eine spannende, individuelle Handlung haben, die komplex ist und bei der man am Ball bleiben muss. Und bei der Sprache halten wir es lieber etwas umgangssprachlicher, also schön authentisch.
Benni: Ein besonderes Augenmerk legen wir auf das Sounddesign. Da betreten wir Neuland und wollen die Schauplätze immer mit so vielen Details und passenden Panoramen versehen, dass man auf Kopfhörern das Gefühl hat, mitten in der Szene zu sein – selbst wenn es nur eine vermeintlich „leichte“ Büro-Szene ist. Mit den ersten vier Kapiteln sind wir unserer Vorstellung von gutem Kopfkino auch schon recht nah gekommen. Und es ist toll zu sehen, dass es auch anderen Leuten gut gefällt!
Die ersten drei Kapitel machen deutlich, dass es sich bei Eurer Serie um eine sehr komplexe Geschichte handelt. Wieso spielt sie ausgerechnet in Boston und im Kongo?
Timo: Ja, das stimmt, selbst für uns ist es manchmal gar nicht so einfach, den Überblick auf die komplexen Geschehnisse zu behalten. ;-) Aber gerade dieser Aspekt macht beim Schreiben der Geschichte wahnsinnig viel Spaß – parallel laufende Handlungsstränge miteinander zu verbinden.
Die Idee, Boston und den Kongo als Startpunkt der Geschichte zu nehmen, kam – glaub ich – relativ spontan. Wir hatten damals in den Jahren 2009 und 2010 angefangen, unsere vielen Ideen, die wir gesammelt hatten, zu einer richtigen Geschichte zu formen und dabei haben wir beispielsweise auch überlegt, welche außenpolitischen Ereignisse wir miteinfließen lassen wollen. Und die damaligen Ereignisse im Kongo fanden wir ziemlich spannend. „Die Weisse Lilie“ wird sich im Laufe der Zeit aber noch weiter über den Globus bewegen, der Kongo und Boston werden also nicht die einzigen beiden Handlungsorte bleiben.
Benni: Wir wollten die Geschichte auf jeden Fall in den USA spielen lassen, weil dort viele Stränge der globalen Politik zusammenlaufen. Ich glaube, dass wir uns damals überlegt hatten, dass Städte wie New York oder Los Angeles einfach zu abgedroschen sind und Boston etwas Frisches aber vom Stadtbild her auch etwas Altes, Europäisches zu bieten hat.
Mit welcher der bisher da gewesenen Figuren könnt Ihr Euch am meisten identifizieren?
Benni: Miles … zumindest am Montagmorgen ;-)
Timo: Miles, auf jeden Fall, ja. Dieser ausgeprägte Gerechtigkeitssinn, den er hat, den kann man gut nachempfinden. Und Stephan Benson spricht diese Figur auch einfach unfassbar gut!
Die Akustik eines Hörspiels ist wichtig. „Die Weisse Lilie“ bietet diesbezüglich enorm viel und sorgt dafür, dass der Hörer gar nicht mehr weghören kann, selbst wenn er wöllte. Wie seid Ihr die Musik- und Geräusche-Umsetzung angegangen?
Benni: Das Sounddesign steht bei uns, neben der Geschichte, immer im Mittelpunkt. Hier war ich bei vielen anderen großen Produktionen enttäuscht und ich hab mir immer gedacht, dass man die Atmosphäre dichter und packender gestalten kann, wenn man keine Mühen scheut. Wir sind dann im Vorfeld der Produktion losgezogen und haben wahnsinnig viele Sounds selbst aufgenommen. Die ganzen Autos und Jeeps, die im Hörspiel zu hören sind, haben wir in einer 12-stündigen Fieldrecording Session in Brandenburg aufgenommen. Dafür hatten wir uns einen alten Toyota Jeep organisiert, einen VW Passat und einen Ford Focus.
Auch viele der sogenannten „Foleys“ (Kleidungsrascheln, Fußschritte, etc.) haben wir selbst erstellt. Dafür haben wir im Studio sechs Klappen im Boden, in denen jeweils ein anderer Untergrund ist (Kieselsteine, Sand, Erde, etc.) auf denen man die Fußschritte dann mit verschiedenen Schuhen erstellt.
Natürlich kommen auch viele Sounds aus Soundlibraries, die wir uns extra für das Hörspiel gekauft haben. Ich stehe zum Beispiel total auf die Libraries von „Boom-Library“. Außerdem ist es sehr schwer, in Deutschland selbst Waffen aufzunehmen. ;)
Timo: Und bei der Musik war uns ein prägnantes Titelthema sehr wichtig, etwas, das ins Ohr geht. Während der Szenen muss die Musik wiederum subtil sein. Da müssen oftmals gar nicht großartige Melodien auftauchen, meist wirken da spannungsvolle Klangflächen sehr gut.
Unterm Strich wollten wir einen düsteren, leicht melancholischen Soundtrack, der die Stimmung der Geschichte gut widerspiegelt. Und den hat unser Komponist Jochen Mader von Audionerve brilliant umgesetzt. Das Titelthema stammt allerdings noch aus früheren Tagen von Johannes Arzberger, einem befreundeten Musiker von uns. Der Track ist sogar schon entstanden, bevor wir mit der eigentlichen Produktion des Hörspiels angefangen haben. Als wir noch an den Skripten geschrieben haben.
In der Rolle der Hörspielmacher: Wie läuft das ganze Konstrukt Hörspiel – von der Planung bis zur Umsetzung – eigentlich so ab?
Benni: Nach jeder Veröffentlichung beginnt alles von vorne. Wir müssen die Skripte umschreiben und ergänzen. Auch wenn die grobe Handlung des Hörspiels schon fertig konzipiert ist, entwickeln sich die Charaktere und die Story dynamisch mit jeder Folge weiter. Deshalb werden die vorhandenen Skripte angepasst, neue Szenen geschrieben und weiter Brainstorming gemacht bis alles sitzt. Das ist bei einer so komplexen Story manchmal das Zeitaufwendigste. Wer kennt wen und warum. Was muss zeitlich wann passieren usw.
Dann geht es ans Sprecher Casten. Für manche Rollen testen wir etliche Sprecher, bis wir genau das haben, was wir brauchen.
Der Sprachschnitt kommt dann als nächstes. Da haben wir durchaus manchmal zwei Stunden Sprachaufnahme, die nach dem Sprachschnitt noch sechs Minuten fertigen Dialog ergeben. Wenn etwas gar nicht passt, muss der Sprecher einige Takes nochmal neu einsprechen.
Wenn der Sprachschnitt fertig ist, geht es ans Sounddesign. Dort werden erstmal die „Atmos“ gesetzt, also alle Hintergrundgeräusche. Danach werden grob die einzelnen Personen vertont. Also: Wie bewegen sie sich vor der „Kamera“. Links, rechts. Vorne, hinten. Das Ganze mit Fußschritten und Kleidungsrascheln. Und dann gibt es die „Cinematic FX“. Also tiefe „Drones“, Klänge, die Angst erzeugen sollen. „Hits“ um etwas zu unterstreichen, etc. Diese Prozesse durchläuft man etliche Male, bis so eine Szene fertig ist. Man kann bei einer komplexen Szene wie der Flucht aus Goma aus Folge 3 durchaus mit sechs Stunden Sounddesign pro vertonter Minute rechnen.
Timo: Und sobald der zeitliche Ablauf festgelegt ist, geht die Szene an unseren Komponisten Jochen, der die ersten Entwürfe dazu schreibt. Auch hier durchläuft man meist mehrere Korrekturschleifen, bis alles so ist, wie wir uns das vorstellen.
Dann kommt der Mix, in dem die einzelnen Komponenten (Sprache, Sounddesign, Musik) zusammengemischt werden und so in der Lautstärke angepasst werden, dass es genau passt. Nach mehrmaligem Testhören und Korrigieren wird das Ganze dann gemastert. Also tontechnisch poliert und laut gemacht. Dann muss alles erneut gecheckt werden. Und dann ist das Hörspiel fertig.
Nebenbei werden die neuen Cover und Animationen für die Homepage erstellt, neue Infos zu Charakteren und Sprechern auf der Seite eingefügt und die Lilien-Weltkarte aktualisiert.
Wenn dann das Hörspiel bei Amazon, iTunes, Google Play und auf der Website eingepflegt ist und die Promo-Mails an die Rezensenten verschickt wurden…. geht es wieder von vorne los.
Wieso eigentlich „Die Weisse Lilie“? Wieso habt ihr euch nicht für eine gelbe Tulpe oder gar eine rote Nelke entschieden? Und noch fix hinterher: Seid ihr blumenaffin?
Benni: Haha, nein. Blumenaffin auf keinen Fall. Bei mir geht jede Zimmerpflanze sofort ein.
Timo: Bei mir genauso, Pflanzen können sich halt schlecht bemerkbar machen. ;-)
Benni: Die Lilie als Titelname haben wir – glaube ich – gewählt, weil sie ein Symbol des Todes ist. Aber es klang vor allem einfach gut, da haben wir uns instinktiv dafür entschieden.
Timo: Ja genau, die Weisse Lilie als Symbol von Tod, Unschuld und Macht. Das fanden wir damals beim Schreiben der ersten Skripte irgendwie passend, als wir gemerkt haben, dass wir am liebsten eine Geschichte erzählen wollen, die sich um essentielle Dinge unserer Zeit dreht: Krieg, Macht, Ungerechtigkeit, Leben und Tod.
Zu guter Letzt eine der wichtigsten Fragen: Wann können wir mit den nächsten Kapiteln rechnen?
Timo: Die aktuelle 4. Folge „Krieg in Boston – Kapitel I“ ist ja gerade am 31.01.2017 herausgekommen. Wir versuchen, möglichst immer alle vier Monate ein neues Kapitel zu veröffentlichen. Da wir momentan kein Label im Rücken haben, können wir uns auch die Zeit nehmen, die wir brauchen.
Benni: Diesen Veröffentlichungszyklus von vier Monaten können wir leider auch nicht unterschreiten. Wir machen die Serie ja neben dem Beruf und der Familie. Das ist mitunter verdammt stressig. Wenn also alles glatt läuft, sollte die nächste Folge Ende Mai zum Download erhältlich sein.
Timo & Benni, wir danken Euch herzlich für dieses Gespräch.