… & noch ein weiteres Jules Verne-Abenteuer?
Wenn ihr glaubt, so langsam den Überblick über den Hörspiel-Dschungel zu verlieren, dann geben wir euch an dieser Stelle ein paar Infos zum Klassiker Jules Verne an die Hand.
Alles begann mit einer zündenden Idee beim MARITIM-Verlag (hier gelangt ihr zum Gesamtkatalog), genauer: beim Verleger Sebastian Pobot. Es sollte eine neue Jules Verne-Reihe geben, in der ein altbekannter Charakter als fester Hauptdarsteller fungiert.
Gestatten: Mein Name ist Phileas Fogg, Namensgeber & Held der Hörspielserie
Mit WinterZeit Audiobooks war schnell ein erfahrenes Studio für die Post-Produktion gefunden sowie zwei kreative Autoren – Markus Topf und Marc Freund -, die sich staffelweise abwechseln. 2014 begann man mit der Produktion der Hörspielreihe. Das Konzept, Vernes Geschichten als Eckpfeiler einer neuen Abenteuerserie zu nutzen, kann neue Perspektiven eröffnen.
Jules Verne & Co?
Der ursprüngliche Titel verrät uns ein wenig über die Konzeption der Hörspiel-Serie:
Der Titel sollte anzeigen, dass nicht nur JULES VERNE Charaktere Verwendung finden, sondern auch zahlreiche andere Schöpfungen zeitgenössischer Literatur. Die Idee wurde jedoch wieder verworfen.
(Quelle: WinterZeit Audiobooks)
Jüngst erschien mit “Im Angesicht der Bestien” (VÖ: 27.01.2017) bereits die 8. Folge der neuen Abenteuer des Phileas Fogg.
Doch worum geht’s nun in Folge 1, “Entführung auf hoher See”? Wir haben für euch reingelauscht …
Nach 80 Tagen um die Welt
Seitem der bisweilen eitle, aber äußerst elegant wirkende Abenteurer Phileas Fogg seine 80-tägige Weltreise beendet hat, genießt er von allen Seiten Ruhm und Ehre für seine spektakukäre Mission. Hohe Anerkennung erhält er auch von seiner Frau Aouda (Annina Braunmiller-Jest), die ihm stets den Rücken stärkt.
Ein rastender Weltenbummler?
Doch zum Ausruhen fühlt sich der charismatische Phileas Fogg nicht bereit – denn: Der bekannte Meeresforscher und renommierte Wissenschaftler Professor Aronnax (Michael Pan) wird vermisst. Seine Nichte Louise Aronnax (Marie Bierstedt) ist in großer Sorge um ihren Onkel und wendet sich hilfesuchend und vertrauensvoll an Phileas Fogg.
An Bord der Abraham Lincoln
Eines ist klar: Polizist ist Foggs mitnichten. Er soll nun jedoch mit seiner Erfahrung den verschwundenen Professor wieder aufspüren. Zusammen mit seiner Frau Aouda und seinem treuen Freund und Diener Passepartout (Marius Clarén) besteigt er die „Abraham Lincoln“ – jenes Schiff, das Professor Aronnax kurz zuvor betreten hatte und daraufhin spurlos verschwunden war.
An Bord verdichten sich die Anzeichen für ein Verbrechen. Als die Drei es obendrein noch mit einem Unterseebot und einem rätselhaften und kauzigen Kapitän zutun bekommen, treten die dunklen Geheimnisse aus den Tiefen der Meere langsam an die Oberfläche…
Fazit
Inhalt:
Wie erindet man Jules Verne neu? Gar nicht! Denn Jules Verne ist nicht zuletzt für Liebhaber von Science Fiction und phantastischen Welten ein Heiligtum. Mit einer originalgetreuen Hörspiel-Adaption des Werkes des alten französischen Meisters fährt man also nicht gut. Die sprachliche Eleganz bzw. die narrativen Feinheiten wird man ohnehin nicht nachahmen können.
Daher verstehen wir die Hörspielreihe eher als würdigende Hommage von Geschichten, die viele seit ihrer Kindheit und frühesten Jugend geprägt haben. Als Jules Verne-Kenner hat man es bei der Reihe “Jules Verne – Die neuen Abenteuer des Phileas Fogg” mit bekannten Figuren und Motiven zutun, die jedoch frei interpretiert und durch Betonung bestimmter Facetten neu entdeckt werden. Auch begegnen wir immer wieder anderen literarischen Schöpfungen bzw. berühmten Persönlichkeiten – etwa Dr. Jeckyl alias Mr. Hyde, Frankenstein und Edgar Allan Poe (Folgen 2, 3 und 5).
Handwerklich ist die 1. Folge nicht zu kritisieren. Leider kann die Story an sich nicht durchweg überzeugen. “Entführung auf hoher See” nimmt Motive des Jules Verne-Klassikers “20.000 Meilen unter dem Meer” wieder auf. Daher kommt einem vieles schon bekannt vor. Überraschungs- bzw. die berühmten Aha-Momente bleiben leider aus.
Spoiler! Lediglich der finale Kampf gegen die Krake ist eines der actionreichsten Szenen dieser Folge. Aber was haben das Unterseeboot Nautilus und der Kapitän Nemo mit dem Verschwinden des Professors zutun? Nicht viel. Schade ist, dass das Hauptthema – die vermeintliche Entführung des Professors – sehr schnell abgewickelt wird und es dann eigentlich um etwas ganz anderes geht. Nämlich: um ein schauriges Geheimnis, das sich in den Tiefen des Meeres versteckt hält. Die Ansprechhaltung ist für ein jüngeres und älteres Zielpublikum gleichermaßen gut geeignet.
Die hohe Erwartungshaltung an die 1. Folge kann wegen des hervorragenden Sprechercats und der astreinen klanglichen Umsetzung gestillt weden. Während das Skript stellenweise lahm ist, kann die Folge im Ganzen betrachtet dennoch überzeugen. Kenner von Jules Verne werden an dieser Stelle sicherlich widersprechen, die Serie möglicherweise als würdelose Zusammenstellung diverser Motive empfinden. Hörer, die Jules Verne nur am Rande kennen, könnten aber durchaus auf ihre Kosten kommen. Weiterer Pluspunkt: Am Ende gibt es einen Cliffhanger für die nächste Episode. kassettenbox bleibt also dran! :-)
Sprecherleistung:
Zahlreiche bekannte Stimmen sorgen für eine rundum akustisch überzeugende Umsetzung. Sprecher-Highlights sind Sascha Draeger, den wir bereits als die Figur des Tarzan/Tim aus TKKG kennen. Er gibt dem Globetrotter Phileas Fogg ein glaubwürdiges Stimmprofil. Annika Braunmiller-Jest (Synchronstimme von Kristen Stewart) hingegen verleiht Foggs Frau Aouda ein etwas zu zartes Stimmchen. Die Authentizität kann hier nicht so stark durchgehalten werden wie es bei Phileas Fogg der Fall ist.
Die Verpflichtung von Christian Brückner als Erzählstimme von Jules Verne und Klaus-Dieter Klebsch als argloser Kapitän Nemo sind ein absoluter Ohrenschmaus. Foggs Sidekick Passepartout ist durch Marius Clarén bestens besetzt worden – nebenbei ein herrlicher Name! Betrachtet man die Stimmen für sich, darf man sich auf weitere Abenteuer freuen.
Geräusche und Musik:
“Jules Verne – Die neuen Abenteuer des Phileas Foggs” greift auf ein Repertoire feststehender Themes zurück, die durch den Komponisten Alexander Schiborr vorab arrangiert und produziert worden sind. Diese werden immer wieder eingesetzt, meist am Anfang, zwischen den Szenen und am Ende einer jeden Folge. Zusätzlich zum Rahmen-Soundtrack werden für die einzelnen Hörspiele verschiedene Musikstücke produziert. Geräusche und Musik bereiten viel Freude. Wir empfehlen, die Ohren zu spitzen und die Musik über Kopfhörer und nicht bloß im Hintergrund zu genießen.
Cover und Titel:
Das Cover zur 1. Folge ist detailreich und ästhetisch ansprechend gestaltet worden. Beim Titel zur Folge hingegen wurde jedoch der falsche Fokus gesetzt.
Fakten
Label:
Maritim / Winterzeit Studios
Gesamtspiellänge:
ca. 62min
Produktionsjahr:
2015
Lieblingszitat:
Louise Aronnax: “Nennen Sie mich Louise.”
Phileas Fogg: “Ich bedaure, Madame. Aber ich kenne nur eine einzige Sorte Frau, die man bei der ersten Begegnung mit dem Vornamen anredet. Und wenn Sie zu ebendieser Sorte gehören, dann habe ich mich getäuscht und wünsche einen guten Abend.”
Louise Aronnax: “Ich wollte Sie nicht kränken, Mr Fogg. Der kontinentale Umgang wird Ihnen zu jovial erscheinen …”
Besetzung:
Erzähler / Jules Verne | Christian Brückner |
Phileas Fogg | Sascha Draeger |
Aouda Fogg | Annina Braunmiller-Jest |
Ned Land | Manfred Lehmann |
Passepartout | Marius Clarén |
Kapitän Nemo | Klaus-Dieter Klebsch |
Professor Pierre Aronnax | Michael Pan |
Louise Aronnax | Marie Bierstedt |
Joseph (Butler) | Bodo Wolf |
Matrosen 1-4 | Alexander Turrek, Martin Sabel, Leonhard Mahlich, Oliver Baumann |
Fregattenkapitän | Helmut Krauss |
Steuermann | Lutz Mackensy |
Matrose Nautilus 1 | Frank Felicetti |
Ausguck 1-4 | Rainer Fritzsche, Konrad Bösherz, Sascha Rotermund, Christian Stark |
Maschinist | André Beyer |
Wenn man statt Synchronsprechern richtige Schauspieler für das Hörspiel verpflichtet hätte, würde das Ganze vielleicht nicht derart abgelesen klingen. Da höre ich mir lieber ‘Die Zeitmaschine’ von Maritim an.
Autor
Liebe Ludowika,
da müssen wir Dir recht geben. Viele Hörspiele wirken ziemlich abgelesen und kommen dann schnell dem Genre “Hörbuch” nahe. Obwohl es wichtig ist, diese Unterscheidung aufrechtzuerhalten, finden wir. Ein prima Hinweis mit “Die Zeitmaschine” – Hast du einen Anspieltipp für uns? Viele Ostergrüße – Laura von kb